Braucht JEDES Unternehmen Neukundengewinnung?
Mit meinem ersten Startup Film.de habe ich 1996 gestartet. Da war es keine Frage: Es ging eigentlich nur darum, wie wir so schnell wie möglich so viele Kunden wie möglich bekommen. Auch in meiner Digitalagentur seit 1997 mussten natürlich erstmal viele Kunden gewonnen werden. Das war in beiden Fällen auch sehr erfolgreich, sodass wir auf über 50 Mitarbeiter angewachsen sind. Natürlich fragt man sich dann irgendwann, ob Neukundengewinnung wirklich immer sein muss und ob der riesige Aufwand dafür gerechtfertigt ist.
Gerade in einer Agentur, unabhängig davon ob sie digital arbeitet oder einen Offlinebereich wie Printmedien oder Events abdeckt, ist der Pitchaufwand riesig. Meist werden erstmal 5–10 Agenturen angefragt. Mit einer Shortlist von 3–4 Agenturen wird dann ein Pitch veranstaltet. Da ist man dann schon froh, dass man es in diese Runde geschafft hat. Dann heißt es aufwändige Präsentationen vorbereiten. Der Aufwand hierfür liegt bei mindestens mehreren Tagen, manchmal auch Wochen — und alles ohne Bezahlung oder nur für einen niedrigen Pauschalbetrag, der die Aufwände bei weitem nicht deckt. Wenn man Glück hat (und das gehört immer dazu), gewinnt man. Wenn man ganz viel Pech hat, wird man Zweiter. Viel Aufwand, kein Ertrag. Das ist wirtschaftlicher Wahnsinn. Konsequenterweise versucht man alles, um seine Bestandskunden glücklich zu machen. Das versucht ja jeder in allen Branchen. Wenn das gut läuft, braucht man dann also keine Neukundenakquise mehr? Ein Irrtum, der verheerende Folgen haben kann.
Ich sehe vier Gründe, warum wirklich JEDES Unternehmen immer wieder Neukundengewinnung braucht.
- Unternehmensstart
Ob als Startup oder ganz “normales” Unternehmen, am Anfang müssen Kunden her. Klar muss erstmal das Produkt entwickelt werden, der Laden eröffnet oder der Onlineshop gebaut werden. Unmittelbar danach geht ohne Kunden nichts mehr. Zunächst muss das Geschäftsmodell von echten Kunden getestet werden. Und dann geht das wahre Geschäftsleben los. In dieser Phase ist die Gewinnung von ausreichend Kunden, um davon erstmal Miete und Gehälter bezahlen zu können, existenziell. Dies setzt sich fort, da viele Unternehmen eine gewisse Mindestgröße brauchen, um am Markt bestehen zu können. Als Agenzia SEO mit weniger als 15 Mitarbeitern wird man kaum ernst genommen. Für manche Kunden müssen es auch 100 Mitarbeiter sein, auch wenn der eigentliche Job nur drei benötigt.
2. Wachstum
Nahezu jeder strebt nach Wachstum, persönlich und wirtschaftlich. Für manche Businessmodelle ist Wachstum entscheidend, da sie skalieren. Das bedeutet, dass jeder zusätzliche Kunde immer weniger anteilige Kosten hat und dadurch mehr Gewinn abwirft. Softwareunternehmen zum Beispiel haben, wenn das Produkt steht, nur geringe Kosten für jeden zusätzlichen Kunden. Im Extremfall geht der neue Umsatz direkt in den Gewinn. Wer wäre da nicht versucht, viel dafür zu tun, dass weitere Kunden dazu kommen? Aber auch in vielen ganz bodenständigen Betrieben hat der Unternehmer das Ziel zu wachsen und dadurch mehr Gewinn zu erwirtschaften. Es kommt dazu, dass sich auch die Mitarbeiter im Unternehmen weiterentwickeln möchten. Der Azubi möchte übernommen werden, der Angestellte strebt nach dem Abteilungsleiter-Job und der leitende Angestellte möchte auch von Zeit zu Zeit eine schöne Gehaltserhöhung haben. Das kann nur funktionieren, wenn man sich regelmäßig von Mitarbeitern trennt (Beratungsunternehmen arbeiten gerne nach diesem schrägen Modell) oder wenn man in die Leadgenerierung investiert, wächst und damit auch den Mitarbeitern neue Chancen eröffnet.
3. Fluktuation
Nicht nur Mitarbeiter verlassen das Unternehmen von Zeit zu Zeit, auch Kunden. Das kann viele Ursachen haben. Beim kleineren Laden ziehen Kunden aus der Nachbarschaft weg oder sterben schlichtweg. Bei größeren Unternehmen kann es eine neue Ansprechperson geben, die ihre alten Dienstleister mitbringt. Da kann man noch so gut gewesen sein, es ist ihr nicht zu verdenken, dass sie einen rauswirft. Manche Unternehmen sind sehr treu und an langfristigen Beziehungen interessiert. Es gibt aber auch Unternehmen, die glauben, dass es gut tut, alle zwei Jahre nach “frischem Blut” Ausschau zu halten oder des Öfteren einen Rilancio del sito web vornehmen. Beide Methoden können erfolgreich sein. Der erste Weg ist mir deutlich sympathischer.
4. Vermeidung von Abhängigkeiten
In der Agenturwelt passiert es immer wieder, dass ein Großkunde viele Kapazitäten nachfragt. Das ist für den Unternehmer kurzfristig super. Keine Aufwände für die Neukundengewinnung und immer mit den gleichen, hoffentlich sympathischen Menschen zu tun haben. Mittelfristig kann es verheerend sein. Sagen wir der Großkunde ist für 50% der Agenturumsätze verantwortlich — was häufig vorkommt. Auch in anderen Branchen ist das keine Seltenheit, zum Beispiel bei Automobilzulieferern. Und dann springt dieser Kunde ab, warum auch immer. In der Regel bedeutet es, dass man von jetzt auf gleich auch mindestens ein Drittel der Belegschaft kündigen muss, wenn man das Glüch hat wenigstens einen Teil über Neukunden ausgleichen zu können. Furchtbar. Hauptsächlich aufgrund all der persönlichen Schicksale. Aber auch wirtschaftlich. Es geht ungeheuer viel Wissen verloren und als Unternehmer kann man die Mitarbeiter in der Regel nicht so schnell kündigen wie der Auftraggeber. Das heißt, es folgt ein sattes Minus noch obendrauf. Ein Horrorszenario. Um es zu vermeiden, gibt es nur eine Alternative. Immer für stete Neukundenanfragen sorgen. Selbst wenn man dem einen oder anderen dann absagt, bleibt man flexibel für den Fall, dass ein großer Auftraggeber wegfällt.
Kurzum: Jeder, wirklich jeder Unternehmer ist darauf angewiesen, dass er permanent Neukundenakquise betreibt.
Die Vertrauensbausteine sind die perfekte Methode, um für stetige Neukundenanfragen zu sorgen. Das ist mir bei vielen Kunden immer wieder aufgefallen. Was gibt es Schöneres, als wenn einem ein Kunde ein Jahr nach der kompletten Überarbeitung der Website erzählt, dass sie nicht nur voll ausgelastet sind, sondern sogar Neukunden absagen müssen? Mir ist das schon häufig passiert.
Auch für meine Digitalagentur hatte es irgendwann zur Folge, dass wir beschließen konnten, nicht mehr an Pitches teilzunehmen. Wir haben uns voll auf die Neukunden konzentrieren können, die uns direkt angefragt haben. Eine enorm entspannende Situation, die ich so oder so ähnlich jedem Unternehmen nur wünschen kann.